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Das Land, in dem es noch okay ist, ein Frosch zu sein

Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Land, in dem fände ein alljährliches Fest statt, das Familien und Freunde über Speis und Tanz zusammenbringt. Dieses Fest wäre kulturell so tief verankert, dass selbst der Weihnachtsmann neidisch darauf wäre. Wenn Sie sich jetzt noch vorstellen, ein Kernelement dieses Festes wäre es, die Arme hinter dem Rücken zu verschränken, leicht in die Hocke zu gehen, lautes Froschquaken zu imitieren und sich in dieser Konfiguration um eine rund 20 m hohe Stange zu bewegen — wo wären Sie dann gedanklich?

Vi är i Sverige, såklart! — Wir sind natürlich in Schweden! Zu Hause von Michel aus Lönneberga (der in Schweden eigentlich Emil heißt), einem progressiven Sozialstaat und dieser eigentümlich stillen Weite, die nach großer Freiheit riecht. Und nach Fisch, Käse, Erdbeerkuchen, frischen Kräutern und Aquavit. 

Små grudorna är lustiga att se — Schweden feiert das Licht!

Das Fest der Frösche gibt es wirklich. Und es ist Ihnen bestimmt ein Begriff: Es heißt midsommar und wurde traditionell immer am 24. Juni begangen. Heutzutage findet midsommar zwischen dem 20. und 26. Juni statt — immer an einem Freitag und Samstag rund um die Sommersonnenwende. In diesem Jahr liegt der midsommarafton, der magische Mittsommer-Abend, auf Freitag, dem 21. Juni. Magisch, denn die Schwedinnen und Schweden feiern ausgiebig, fröhlich und ausgelassen die Rückkehr von Licht, Wärme und sommerlicher Nonchalance – nach den langen und lichtarmen Wintermonaten. Kein Fest wird so lieb gehabt und so ausgiebige umarmt wie der Abend vor dem längsten Tag des Jahres. Der längste Tag selbst wird midsommardagen genannt und ist natürlich ein Feiertag. 

Der midsommarafton ist jedoch der eigentliche Star: Ab Mittag kommt das alltägliche Leben im skandinavischen Land zum Erliegen, alles bereitet sich auf die Feierlichkeiten vor. Wer ein Ferienhaus hat – in Schweden sehr verbreitet – fährt mit Familie und Freunden dorthin, um zu feiern. In den Städten sind es die Parks und Grünflächen, in denen der traditionelle Mai-Baum aus Birke (midsommarstång) errichtet und geschmackvoll mit Birkenblättern und einzelnen Blumen geschmückt wird – und natürlich mit den bekannten schmalen Bändern in blågul, den schwedischen Nationalfarben Blau und Gelb. Denn: Der Stolz auf das eigene Land, der ist allgegenwärtig im Norden. 

Die Abende und die hellen Nächte des Mittsommerwochenendes sind ein rauschendes Fest der Lebensbejahung, zielsicher irgendwo zwischen Gemeinschaft, Leichtigkeit, Genuss, Tanz und althergebrachten, mystischen Traditionen. Der Blumenkranz im Haar symbolisiert beispielsweise die Fruchtbarkeit, und in der Mittsommernacht geht man barfuß im Tau spazieren, um die Gesundheit zu stärken. Junge Frauen, wiederum, nutzen die Nacht, um stillschweigend sieben bestimmte Blumen zu pflücken, die später (zur Ehemann-Akquise) unterm Kopfkissen deponiert werden. Es erinnert an die schwedische Version der Zahnfee, nur eben für Erwachsene. 

Ach, die Erwachsenen! Die kommen bei Festen immer zu kurz, oder? Nun, das gilt vielleicht für das Weihnachtsfest – aber der midsommarafton lebt von seinen bunten Buffets unter dem hellen Mittsommerhimmel. Und da wären wir auch schon beim Thema!

Skål! Smaklig måltid! & Hauptsache lagom: So schmeckt midsommar

Glücklich, wer den Fisch liebt: Denn der belegt souverän die Pole-Position aller kulinarischen Überlegungen des Mittsommer-Festes. Der berühmte Schnaps Aquavit verleiht ihm seine Schwimmflügel, die vielen Trinklieder spielen den Bademeister (bitternötig, denn es entsteht auch mal ein Schnaps in der Eigenregie eines alten Schuppens, irgendwo weit draußen…). Die Festtafel oder das Buffett (smörgåsbord) wiederum werden in Schweden ganz im Sinne der Nationalphilosophie lagom (Nicht zu viel und nicht zu wenig) gestaltet. Eingelegter Hering, der sill, gegrillter Lachs, Muscheln, Preiselbeeren, Rote Beete, Kartoffeln — so einfach kann ein Mittsommer-Menü in der Basisausstattung aussehen. Auch Knäckebrot, Käse, Butter und die von IKEA zum Nationalsymbol erhobenen köttbullar werden gereicht. Von diesen Klassikern abgesehen, gestaltet sich die schwedische Küche kreativ-saisonal. So kochen die Nachbarn und so kochen die 18 Michelin-Stern prämierten Restaurants des Landes — das ein oder andere kalt-geräucherte Rentier-Gericht auf schwarzem Trüffel einmal kurz außer Acht gelassen. 
Sowieso hat es seine unbestreitbaren Vorzüge, das drittgrößte Land der EU zu sein. Da ist zum Beispiel das schwedische Kulturgut Allemansrätten, das Jedermannsrecht. Dieses erlaubt es Einheimischen wie Besucher:innen, (fast) überall frei zu campen und die wunderbar weitläufige Stein- und Mooslandschaften des Landes zu erkunden. Wo sie – ganz ohne kulinarische Hintergedanken - auch die Beeren-, Blüten, Pilz- und Pflanzenspeicher nutzen können. 

Steaksandwich mit Side-dish

Schweden ist ein Land zum Essen

Derart ist auch die schwedische Küche kulturell gewachsen. Hier gibt es Platz für Gourmet-Erlebnisse, so weit das Auge reicht: In Mittelschweden winken Goldene Pfifferlinge, Schaf-Porling, Gemeiner Schwefelporling und Edel-Reizker vom Buffet, wo sie mit Bärlauchsamen und einem Kräutersalat aus Knoblauchsrauke, jungem Giersch, Waldsauerklee, Süßdolde und Butter ergänzt werden. Der Süden legt ein Kompott aus wilden Sommerbeeren auf ein Kräuterbett aus Mädesüß, Wiesen-Sauerampfer und Vogelmiere aufs smörgåsbord. Der Norden wiederum glänzt mit Beerenkompott auf geräucherter Butter und süßem Kräutersaft. Am leckersten wird’s über offenem Feuer:

Butter über dem Feuer schmelzen, glühende Kohle aus dem Feuer nehmen und in die zerlassene Butter legen, kurz ziehen lassen, alles durch ein Sieb in eine Schüssel geben. Zucker über dem Feuer bräunen, Heidelbeeren, Himbeeren, Preiselbeeren und Moltebeeren hinzugeben, die geräucherte Butter unterheben und gleich am Feuer naschen! Und was gibt’s zu trinken? Zucker, Mädesüß und Salz in frisches Quellwasser geben und zusammen aufkochen lassen. Den Saft durch ein Sieb gießen und später kalt genießen. 

Vielleicht zeichnet genau diese Bodenhaftung den allgemeinen kulinarischen Schweden-Erfolg aus; denn die besten Produkte finden sich hier gleich hinter dem Hügel – auf Feld, Wiese und Wald. Fürst Jean-Baptiste Bernadotte könnte allerdings auch noch einen Teil zur Nuanciertheit der schwedischen Küche beigetragen haben, als er 1822 zum König Karl XIV von Schweden (und zu Karl III von Norwegen!) gekrönt wurde. Denn so hielt auch der französische Hof Einzug in das nordische Land – und mit ihm die berühmte französische Küche. Bis heute lässt sich diese kulinarische Verbindung in der schwedischen Cuisine ausmachen. Ob Sie Spuren davon auf dem smörgåsbord finden? Machen Sie sich ans Entdecken! 

Mittsommernacht: Das große Buffett

Aber vergessen Sie bei allem Entdeckungs-Elan bitte nicht: Zuallererst ist Mittsommer ein Fest! Und das schönste Fest kann gründlich verdorben werden, wenn es von zu erschöpfenden Vorbereitungen überschattet wird. Pfiffige Schwed:innen greifen also auf das zurück, was Mutter Natur ihnen schenkt – und uns Menschen über dem Grill, am Buffet oder am Holzofen zusammenbringt: Das Vereinen von Kontrasten in Geschmack und Textur, die Klarheit unverarbeiteter Naturprodukte, den Intensität von guten Zutaten aus der Region. 

Manche Gerichte komplettieren sich dabei fast wie von selbst: 

Feines Salz, grobes Salz, Zucker, Koriandersamen, Thymian, Rosmarin und Pfefferkörner mischen und einen Lammrücken darin einwickeln. 48 Stunden ruhen lassen, aufschneiden und marinerad lammrygg kalt genießen! Am besten am Buffet, wo die Gäste damit selbst kreativ werden können.

Lachs-Streifen ziehharmonikaförmig auf Holzspießen mit Weißwein, Wasser, Sojasoße und Honig, sowie einem Bund Dill, Zitronensaft und frischem Meerrettich in einem Topf kochen. Die fertigen Spieße zusammen mit Saure-Sahne-Creme, Karotten-Gemüse und neuen Kartoffeln mit Tortilla-Fladen am Buffet anrichten – und die Gäste zum Selberfüllen einladen.

Wir haben es schon erwähnt: Grundsätzlich kann es in der Mittsommernacht nie genug Fisch geben:

Schollenfilets salzen und in die Pfanne legen, Wein und Wasser angießen, Butter in Flöckchen auf dem Fisch verteilen. Kurz aufkochen, dann in den Ofen schieben und die Filets gar ziehen lassen. Die Garflüssigkeit in eine Mehlschwitze gießen, Möhren, Sellerie und Lauch dazugeben, köcheln lassen, Krabben und Dill dazugeben und abschmecken. Fertig: Rödspätta med räkor

Aber Moment – kommt das Fest denn eigentlich gar nicht ohne Grill oder Lagerfeuer aus? Nein —  Es geht immer weiter: 

Schwarzen Pfeffer mit grobem Meersalz vermengen und im Bauch einer Forelle verteilen. Eine gehackte Knoblauchzehe, jeweils zwei Zweige Rosmarin, etwas Petersilie und zwei bis drei Scheiben Zitrone hineingeben. Die Forelle von beiden Seiten mit Olivenöl bestreichen und grillen. 

Und nicht zu vergessen: 

Mundgerechte Stückchen von Matjesfilets in saurer Sahne mit Mayonnaise, Fischrogen und Schnittlauch gut durchziehen lassen. Hasselback-Kartoffeln am Spieß grillen und dazu reichen.

Skandinavien wäre aber nicht Skandinavien, wenn es nicht auch noch Rentier gäbe: 

Rentierlenden in Würfel schneiden und in eine Teighülle aus vier Teilen Mehl, vier Teilen Salz und zwei Teilen Wasser wickeln. Auf eine Pappe legen, in den Holzofen geben und zusehen, wie diese verbrennt und den Bällchen einen festen Boden verleiht. Fertig sind die Rentierlendchen im Salzmantel, wenn letzterer steinhart ist. Einfach anschlagen und das extra salzige Fleisch in Preiselbeersauce tunken.

Jeder weiß, mit Käse schmeckt alles noch viel besser:

Västerbotten-Käse über geschnittenes Rentiersteak reiben, zusammen mit Crème fraîche und reichlich frisch geriebenem Meerrettich und Dillzweigen servieren, am besten auf geröstetem Fladenbrot. Oder eben im Wrap zum Selberfüllen. 

Und zum Nachtisch? 

Mehl mit den Eiern, Zitrone, Milch, geschmolzener Butter, Wodka, Vanillezucker und einer Prise Salz mit dem Schneebesen zu einem glatten Teig verrühren und 30 Minuten ruhen lassen. Crêpes backen, Preiselbeerkompott darauf verteilen, zum Dreieck falten und mit Puderzucker garnieren. Das sind zwar finnische Pfannkuchen, aber wir finden, das ist nur ein ganz kleines bisschen geschummelt. Tipp: Zusätzlich mit Wodka flambieren! 

steg im Schilf am See

Bleibt uns nur noch zu sagen: 

Hut ab, wer nach all diesen Freuden noch tanzen kann! An dieser Stelle lüften wir also auch das Rätsel um den Titel dieses Textes. Froschquaken in der Mittsommernacht? Små grodorna (Die kleinen Frösche) ist ein traditionelles schwedisches Mittsommer-Lied, das nur mit wahrer körperlicher Performance vollendet wird:

Små grodorna, små grodorna
Die kleinen Frösche, die kleinen Frösche
är lustiga att se.
sind lustig anzusehen.
Ej öron, ej öron,
Keine Ohren, keine Ohren,
ej svansar hava de!
keine Schwänze haben sie!
Ko-ack-ack-a, ko-ack-ack-a,
Ko-ack-ack-ack-ack-a.
Ko-ack-ack-a, ko-ack-ack-a,
Ko-ack-ack-ack-ack-a.

Ein Schelm, wer an dieser Stelle an die möglichen Einflüsse der französischen Cuisine denkt… 

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