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Orange Wine — Der entschleunigte 6000 Jahre-Revoluzzer

Die ganz Erde gehört dem Rotwein, dem Roséwein und dem Weißwein. Die ganze Erde? Nein! Ein von unbeugsamen Rebsorten besetzter Tontopf hört nicht auf, dieser Vorherrschaft Widerstand zu leisten!

So oder so ähnlich würde wohl Miraculix aus dem Dorf der Gallier die Einleitung schreiben – bloß, dass es hier nicht um die Gallier, sondern um den ebenso unbeugsamen Orange Wine geht. Da trifft es sich doch prima, dass dieser Artikel gleich mit mehreren geliebten und gelebten Wein-Irrtümern aufräumen wird! Ganz nebenbei finden wir außerdem noch heraus, ob Orange Wine eigentlich eine richtig gute Idee ist – oder doch nur gut gemeint…? An die Traube — Fertig — Los! 

Vom Tongefäß bis Star Wars: Eine kleine (orange) Weingeschichte

Orange Wine ist zwar durchaus ein Hype - aber so gar kein neuer! Denn das besondere Herstellungsverfahren des Orange Wine wurde - genau genommen - bereits vor 6000 Jahren in Georgien entwickelt.

Wein wurde damals vor dem sicheren Verderben geschützt, indem die Trauben auf ihren Schalen vergoren wurden. Die Reifung geschah anschließend in riesigen Tongefäßen (Amphoren), die in Erdlöchern gelagert wurden. Wurde dieses Herstellungsverfahren mit Weißweinbeeren abgewickelt, so entstand schlussendlich nicht etwa der kristallklare Weißwein, den wir heute kennen – sondern ein Wein von orangener Farbe. Das war die Geburtsstunde des Orange Wine – oder des Weißweines? Nun ja, von beiden. Aber die Wein-Geschwister schlugen fortan ganz unterschiedliche Lebenswege ein…

Wir versetzen uns in den Zeitraffer: Bis zum Beginn der High-Tech-Phase der 1960er Jahre lebte Weißwein noch von seiner deftigen Schwefelung und seinen Gerbstoffen. Unmittelbar nach der Lese wurden die Trauben im Weinberg in hölzernen Traubenmühlen samt Stielen und Stängeln gemahlen. Sobald er ins große, alte Holzfaß kam, war er bereits braun oxidiert. Von da an übernahm, einmal mehr, Mutter Natur: Die Trübstoffe setzen sich ab, eine natürliche Gärung setzte ein. Es folgen komplexe chemische Vorgänge mit Wörtern wie „Redoxpotential“ —  bis sich der Most klärte und das erste Mal geschwefelt werden musste.

Puh — Wein war und ist was für Profis: Es reichte eine Traube mit leichtem Essigstich und die ganze Mischung kippte chemisch um!

Würden diese Winzer heute bei der Weißweinherstellung zuschauen, sie würden sich wohl fühlen wie beim Screening eines Star Wars-Films: Statt hölzerner Traubenmühlen wird hochmoderne Technik eingesetzt. Reinzuchthefen, Abbeermaschinen, kühlbare Edelstahltanks und hydraulischen Pressen sind nur einige davon; letztere trennen die Beerenschalen schnell und effizient vom Saft – und machten den Markt ab den 1970er Jahren fit für die geklärten, glanzhellen und fruchtigen Getränke, die wir heute mit Weißwein assoziieren. In den neunziger Jahren kam zusätzlich der Einsatz von Enzymen in Mode, mit denen noch mehr Frucht aus den Beerenschalen und dem Saft gewonnen werden konnte.

In den Folgejahren übertrieb man es jedoch ein bisschen mit dem Fortschrittsglauben: Vergoren wurde jetzt bei immer tiefer werdenden Temperaturen. Das mündete schließlich in solch einer Wein-Uniformität, dass sie irgendwann einfach nur noch nervte. Man hob die Temperaturen wieder an. Uniformität herrscht in gewissem Maße aber trotzdem noch: Die Verwendung von Reinzuchthefen, Enzymen und Mannoproteinen lassen es weiterhin zu, dass Weißweine im Baukastensystem hergestellt werden können. 

Orange Wine: Ein individueller Wandler zwischen den Welten

Und was macht der Orange Wine nun so anders? Kurz gesagt: Orange Wine ist ein Hybrid. Man könnte ihn als Weißwein bezeichnen, der wie Rotwein hergestellt wird. Oder als Weißwein der ersten Stunde, bevor die Technologie in die Herstellungsverfahren einzog und die Uniformität im Schlepptau hatte. Oder als ein bisschen von beidem.

Seine Basis sind weiße Rebsorten, deren Trauben wie bei der Rotweinherstellung von Stiel und Stängel getrennt werden (entrappt). Doch ab diesem Zeitpunkt schlägt der Orange Wine seine eigenen Wege ein: Schale und Beeren werden nicht getrennt, sondern zusammen mazeriert und vergoren.

Genau an dieser Stelle finden wir auch den gemeinsamen Nenner aus frühem Weißwein und modernem Hype, aus Rotwein und Orange Wine: Bei der Herstellung von Orange Wine wird der Weißwein wie vor 6000 Jahren auf der Maische vergoren. So erhält der Wein nicht nur seine einzigartige Farbe, sondern auch die charakteristischen Gerbstoffe, die ihm seinen durchaus eigenständigen Geschmack verleihen – wie auch seine strukturellen Eigenschaften, die dem Rotwein ähnlicher sind als dem Weißwein.

Hier beginnt nun das eigentliche Winzerhandwerk –  denn die Dauer des Schalenkontaktes prägt je nach Jahrgang, Rebsorte, Schalendicke und gewünschter Stilistik den Geschmack: Je länger die Beeren auf der Maische mazerieren, umso trockener und herber gestaltet sich das Gefühl in der Mundhöhle. Zusätzlich wird wieder mit der Reifung in den traditionellen georgischen Amphoren experimentiert – back to the roots, also.

Aber wie schmecken diese Wurzeln denn nun eigentlich?

Ein Wein, der mal was wagt - aber warum denn auch nicht?!

Das Ergebnis seines Herstellungsprozesses ist, gelinde gesagt, ein Geschmacksfestival! Ein blumig-intensives Aroma mit herber Textur, was mit einem Weißwein aus entsprechender Rebsorte kaum noch etwas gemeinsam hat. Nussig-erdige Noten werden stark akzentuiert, ebenso getrocknete Früchte und Honig. Der Geruch erinnert an Sekt mit angeheiratetem Apple Cider. Eine komplexe, aber nicht überfrachtende Melange aus Sinnesfreuden gesellt sich an denselben Tisch wie das Bernstein-orangene Spiel der Farben im Weinglas. So kann man es sich doch gut gehen lassen!

Wer das Weintrinken jedoch professionell-beruflich betrachtet, steht vor einer schönen Herausforderung: Selbst ein erfahrener Sommelier muss in Duft- und Mundgefühl umlernen, sich auf Geruchs- und Geschmackswirkung einlassen, wenn ein Orange Wine im Glas kreist.

Und was ist das für ein Gefühl? Nun: Die Zunge bekommt es hier mit erstaunlich herben, beinahe bitteren Noten zu tun, gleichzeitig erscheint alles üppiger, bunter, vielschichtiger, als es bei modernen Weißweinen der Fall ist — als würde ein guter Bekannter in vollkommen neuen Kleidern vor der Haustür stehen.

Wer wagt, gewinnt oft eben doch! Warum lohnt es sich also, einen guten Orange Wine im Haus zu haben?

Beste Qualität: Nur handverlesene Trauben bester Gesundheit können verarbeitet werden. Hohe Qualität ist also fast automatisch gegeben.

Reinheit: Lassen Sie sich nicht von Äußerlichkeiten blenden: Ja, Orange Wine wirkt nicht so „rein“ im Glas wie Weißwein. Das liegt an der meist unfiltrierten Abfüllung des Weines. Aber zur Wahrheit gehört auch: Diese Weine sind sowohl biologisch als auch chemisch in vielen Fällen sehr viel sauberer, gesünder und allgemein nährstoffreicher als andere Weine. Die Qualität der Trauben macht’s!

Haltbarkeit: Orange Wine ist beinahe schwefellos. Grund dafür: Gerbstoffe sind antioxidativ. Das verleiht ihnen chemisch eine natürliche Stabilität. Einmal geöffnet, kann eine Flasche Orange Wine somit über mehrere Wochen genossen werden. Und weil Orange Wine so ein Tausendsassa oder Crowdpleaser ist, setzt er noch einen drauf: Je mehr Zeit nach dem Öffnen der Flasche vergeht, desto länger werden seine Gerbstoffketten. Der Effekt: Der Wein wird weniger herb und klart auch visuell immer mehr auf!

Der Orange Wine setzt somit auch im Gesamtmarkt neue Standards: Maischekontakt war noch vor einigen Jahren fast undenkbar – heute kommt kaum noch eine Produktion ohne ein paar Stunden Schalenkontakt aus. Das muss man dem Orange Wine definitiv lassen: Er brachte Innovationen. Und das seit 6000 Jahren. 

Gaumenrevolution, First Dates und neue Welten: Orange Wines machen’s möglich!

Sein herbes, mattes und trockenes Mundgefühl macht die Gerbstoffe deutlich spürbar und füllt herrlich den Mundraum – ebenso wie eine ausgeprägte Salzigkeit an den Zungenrändern. Das macht den Orange Wine zur spannenden Ergänzung für eine sehr filigrane und präzise abgestimmte Küche mit salzigen und proteinhaltigen Geschmacksnuancen – wie beispielsweise die japanische Küche. Fisch, würzige Miso-Suppe, Sashimi und Sushi, aber auch durchdacht komponierte vegetarische Gerichte— sie alle sind prädestiniert, um gemeinsam mit dem Orange Wine auf dem Tisch zu glänzen.

Denn dieser Wein erlaubt vollkommen neue Geschmackserlebnisse in der Kombination aus Speise und Wein. Genießen Sie Ihren Orange Wine dafür am besten mit einer Temperatur zwischen 14 und 15 Grad. Geben Sie ihm Zeit, sich im Glas zu entfalten. Damit trägt der Wein auch gleich noch zu einer kleinen Entschleunigung bei.

Und wenn schon mal entschleunigt, kommt man aus dem Raunen und Staunen ob der quickfrischen Lebendigkeit des Weins vielleicht gar nicht mehr heraus. Gänsehaut nicht ausgeschlossen!

Da bleibt uns nur noch eines zu sagen: Santé! 

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